Selma Kahn, geb. Lehmann
Selma Kahn wurde am 9. Oktober 1898 als Tochter des Viehhändlers Moses Lehmann und seiner Ehefrau Karoline Frank in Schaafheim im Landkreis Darmstadt-Dieburg geboren.
Am 1. Juni 1920 heiratete sie Berthold Kahn aus Bischofsheim. Das Ehepaar hatte drei Töchter: Karoline Hilde, geboren am 15. November 1920, und Ilse Brendel, geboren am 25. Dezember 1922. Beide wurden in Bischofsheim geboren, während die dritte Tochter Rosel am 20. März 1932 in Mainz auf die Welt kam.
Seit 1920 arbeitete Selma Kahn im Metzgerladen ihres Mannes im Ortszentrum von Bischofsheim mit und war für die Personalangelegenheiten verantwortlich. Ab 1933 musste sie die systematische Verfolgung ihres Mannes durch die Nationalsozialisten und den Ortsgruppenleiter Eitel, die mit gezielten Aktionen und Verhaftungen verbunden waren, miterleben. Ihr hat es Berthold zu verdanken, dass die gegen ihn initiierte „Fleisch-Affäre“ glimpflich ausging: Im August 1934 war ihm vorgeworfen worden, verdorbenes Hackfleisch zu verkaufen. Eitel hatte zwei seiner Lehrlinge bestochen, Maden in die Rohmasse zu mischen. Dies hatte Selma Kahn beobachtet und ihre Aussage führte letztlich zum Freispruch.
1937 versuchte die Familie in die USA auszuwandern. Aufgrund der strengen Einreisequoten und der langen Wartezeiten für ein Visum, war dies jedoch keine geeignete Lösung. Im gleichen Jahr entschloss sie sich, nach Luxemburg zu fliehen und verkaufte Metzgerei und Wohnhaus weit unter Wert an Ernst Bechthold aus Seeheim/Bergstraße. In dem kleinem Dorf Soleuvre in der Nähe von Esch-sur-Alzette erwarb sie ein Zweifamilienhaus. Da sich die Erteilung des Visums verzögerte, musste die Familie vorübergehend in der Mainzer Schulstraße im Haus des Weinhändlers Liebenstein wohnen. Am 21. Dezember 1938 konnten sie schließlich umziehen und lebten vom Verkauf von Hühnern, Kaninchen, Milch und Eiern. Die beiden Töchter Hilde und Ilse konnten nach England fliehen.
Der Aufenthalt in Luxemburg währte aber nicht lange. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen am 10. Mai 1940 musste das Ehepaar mit seiner Tochter Rosel weiter nach Frankreich fliehen. Auf dem Weg nach Metz wurden Selma und Rosel von Ehemann und Vater getrennt. Erst in einem Lager in der Nähe von Nimes in Südfrankreich trafen sie wieder zusammen, wurden aber am 25. August 1940 in das Lager Les Milles, einer verlassenen Ziegelfabrik in Aix-en-Provence, deportiert. Zunächst wohnte die Familie illegal in der Wohnung einer Witwe in Aix-en-Provence und von Januar 1943 bis zur Befreiung durch die Alliierten im August 1944 bei verschiedenen Bauernfamilien in der Provence.
Im September 1944 wurde auch Luxemburg befreit und am 7. Mai 1945, einen Tag vor der deutschen Kapitulation, kehrten Berthold Kahn, seine Frau Selma und die Tochter Rosel nach Soleuvre in ihr Haus zurück.
Nach der Erteilung der Visen konnten Selma, Berthold und Rosel Kahn im Januar 1952 in die USA übersiedeln. Dort traf die ganze Familie wieder zusammen.
Selma Kahn starb am 14. Dezember 1968 im Alter von 70 Jahren in Cobleskill/New York. Sie liegt auf dem Beth Israel Lower Cemetery in Rotterdam/New York begraben.
(Bernd Schiffler)