Siegmund Selig II.
Siegmund Selig II. wurde am 10. Februar 1871 als Kind der Eheleute Seligman Selig III. und Hannchen Wolf in Bischofsheim geboren. Seine Vorfahren waren alteingesessene Bischofsheimer Bürger. Er wuchs mit zahlreichen Geschwistern und Halbgeschwistern im Anwesen Frankfurter Straße 9 in Bischofsheim auf.
Am 25. Oktober 1906 heiratete er in Weiterstadt Amalie Lehmann. Mit ihr bekam er die Töchter Alice Johanna und Erna Frieda. Bis zu ihrer Flucht lebte die Familie in ihrem Haus.
Im Ersten Weltkrieg kämpfte Siegmund Selig als Soldat, wie viele andere jüdische Männer auch. Ihm wurde das Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen.
Um 1924, als in Bischofsheim noch 32 jüdische Einwohner lebten, war er gemeinsam mit Karl Kahn Vorsteher der jüdischen Gemeinde.
Von Beruf war Siegmund Selig Hausierer, Handelsmann und Kaufmann. Er handelte mit Landprodukten und mit Rindvieh. Bis 1928 betrieb er mit seinem Bruder Siegfried Selig in Mainz in der damaligen Schulstraße (heute Adam-Karillon-Straße) eine Zweigniederlassung des Handels mit Landesprodukten. Seine Geschäfte liefen gut. Er beschäftigte zeitweise einen Buchhalter und einen Arbeiter, der die Waren auslieferte. Sein Jahreseinkommen betrug etwa 15.000,00 bis 20.000,00 RM.
Ab April 1933 musste Siegmund Selig Boykottmaßnahmen erleiden. In Versammlungen der Bäcker und Landwirte hetzten die Redner gegen jüdische Händler. In der Reichspogromnacht 1938 warf der Mob sein Hoftor um. Die Situation wurde für die jüdische Bevölkerung immer schlimmer.
Die Nationalsozialisten enteigneten in der ersten Hälfte des Jahres 1939 sein Haus und Grundstück und verkauften es an die Eheleute Adolf und Anna Jahn. Das Ehepaar Selig flüchtete am 23. Juni 1939 von Hamburg aus mit dem Schiff SS „Pretoria“ nach Kapstadt, wo ihre beiden Töchter sie schon erwarteten.
In seiner neuen Heimat ging Siegmund Selig, bedingt durch mangelnde Sprachkenntnisse, keiner beruflichen Tätigkeit mehr nach. Folglich hatte er keinerlei Einnahmen und war auf die Unterstützung seiner Kinder angewiesen.
Den Eheleuten Amalie und Siegmund Selig entstand durch die Nationalsozialisten an Grundstücken, Haus, Inventar und Verdienstausfall ein Schaden in Höhe von circa 400.000,00 RM. Ein Container mit Haushaltsgegenständen sowie Tafelsilber und Kleidung kam nie in Kapstadt an. Mit der Verschiffung war die Spedition Konrad Scheid aus Mainz beauftragt. Die Eheleute Selig standen somit völlig mittellos da. Auch wurde ihnen nur ein geringer Teil des geltend gemachten Schadens anerkannt und entschädigt.
Siegmund Selig II. verstarb am 30. Dezember 1955 in Kapstadt/Südafrika im Alter von 84 Jahren. Sein Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof Pineland 1 in Kapstadt/Südafrika.
(Astrid Rühl)