KÖNIGSTÄDTEN. Er überlebte unter anderem die Konzentrationslager Auschwitz I und Auschwitz-Monowitz III sowie mehrere Todesmärsche während der Herrschaft der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg und starb sieben Jahre nach Kriegsende an den Folgen der unmenschlichen Bedingungen während seiner Zwangsarbeiterschaft. 70 Jahre nach seinem Tod wird in Gedenken an den Juden Bernhard Nachmann (3. März 1913 - 16. Dezember 1952), dem einzigen Rüsselsheimer Auschwitz-Überlebenden, am 27. Januar um 15 Uhr – am internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts – ein Stolperstein vor seinem ehemaligen Wohnhaus in der Mainzer Straße 8 verlegt. Es ist der insgesamt 55. Stolperstein seit Beginn der Initiative im Jahr 2007.
Der Wahlpflichtkurs Geschichte „Gedenken und Erinnerung“ der Jahrgangsstufe 10 der Gerhart-Hauptmann-Schule (GHS) in Königstädten beschäftigt sich seit Beginn des Schuljahres mit der Lebensgeschichte Nachmanns und wird bei der Stolpersteinverlegung in drei Kurzreferaten das Leben und den Leidensweg des einzigen Rüsselsheimer Auschwitz-Überlebenden nachzeichnen. Im Vorfeld suchte der Kurs auch den Verlegungsort und weitere Stolpersteinplätze in der Innenstadt auf.
Im Mai 2016 kooperierte die Rüsselsheimer Stolperstein-Initiative das erste Mal zusammen mit der GHS, als vor dem Opel-Hauptportal eine Stolperschwelle in Gedenken an die über 7000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen verlegt worden war, die zwischen 1940 und 1945 gezwungen worden waren, für die Rüstungsindustrie bei Opel zu arbeiten. Auch damals bereiteten Schülerinnen und Schüler der GHS die geschichtlichen Hintergründe auf und trugen sie bei der Verlegung vor. Bei der mittlerweile vierten Zusammenarbeit der GHS mit der Initiative haben Cassandra Bosner, Leona Bytiqi, Hamza Erdogan, Meris Fakovic, Oleg Krassmann, Joyce Neyer, Dina Sadiki und Nadja Steckenreiter unter der Anleitung von Geschichtslehrer Frank Häußler und Referendar Zekeriya Can anhand einer biografischen Recherche die Lebensdaten Nachmanns und die geschichtlichen Hintergründe zusammengetragen. Zum einen griff der Wahlpflichtkurs dabei auf die Recherche-Ergebnisse Rolf Strojecs zurück, der bereits vor einigen Jahren Informationen rund um den ehemalige Opel-Angestellten Nachmann für die Stolperstein-Initiative zusammengetragen hatte. Zum anderen diente das Onlineportal „Arolsen Archives“, das weltweit umfassendste Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus, als Quelle für die Recherche des Kurses.
„Vorher waren das einfach nur Zahlen, jetzt können wir uns das besser vorstellen“, erklärte Neyer. Es sei eine „extrem krasse Zeit“ gewesen, in der soviel Unmenschliches passiert sei, betonte wiederum Steckenreiter. Fakovic lobte das Projekt als „gute Aktion gegen das Vergessen“. An Nachmann, der im Juni 1943 nach Auschwitz deportiert wurde, bewundere er seinen starken Charakter: „Sein Motto war: Immer den Kopf hochhalten, egal, was passiert“. Auch die Tatsache, dass er sowohl die Selektion im KZ Auschwitz I als auch in Auschwitz-Monowitz überlebt hatte, nötigte den Schülerinnen und Schüler größten Respekt ab. Nach der Stolpersteinverlegung am 27. Januar werden die Schüler im zweiten Schulhalbjahr die Recherche über eine Königstädter Familie aufnehmen, für die im November eine Stolpersteinverlegung vorgesehen sei, wie Häußler erklärte, der seit 2017 der Stolperstein-Initiative angehört.