GINSHEIM-GUSTAVSBURG. Wie bereits in vielen Kommunen in Deutschland und weltweit, sollen auch in Ginsheim-Gustavsburg „Stolpersteine“ verlegt werden. Die in Fußwege vor ihren letzten Wohnorten eingelassenen Pflastersteine mit Messing-Informationstafeln erinnern an Personen, die Opfer des nationalsozialistischen Terror-Regimes wurden. Das seien jüdische Mitbürger, Euthanasie-Opfer oder politisch Verfolgte, informiert Stadtschreiber Hans-Benno Hauf, der sich um die Recherchearbeiten gekümmert hat. Die Aktion fußt auf dem Künstler Gunter Demnig, der mit seiner gleichnamigen Stiftung die Stolpersteine verlegt, dafür aber verlangt, dass Recherche zur Genauigkeit der Angaben vor Ort gemacht wird.
Angeregt wurde die Stolperstein-Aktion im Zusammenhang mit der Errichtung einer Gedenkstätte in Gustavsburg für Zwangsarbeiter bei der MAN während des Zweiten Weltkriegs. In der zuständigen Arbeitsgemeinschaft arbeitete auch die Historikerin Christine Hartwig-Thürmer mit, die mit ihrem Buch „Die Mainspitze unterm Hakenkreuz“ die Zeit von 1933 bis 1945 bereits umfangreich erforschte. Diese Veröffentlichung aus den späten 1980er-Jahren war aber nur ein kleiner Teil der über 20 Quellen, in denen Hans-Benno Hauf, der auch zweiter Vorsitzender im örtlichen Heimat- und Verkehrsverein ist, forschte.
Unter anderem fuhr er nach Hadamar, um im dortigen Archiv der Gedenkstätte zu den Euthanasieopfern zu recherchieren. Fündig wurde er mit der 1906 geborenen Maria Frida Bremser aus Gustavsburg, die mit 38 Jahren von den Nazis in der „Tötungsanstalt“ Hadamar vermutlich umgebracht wurde, nachdem sie zunächst in der Nervenklinik in Frankfurt und der Heilanstalt auf dem Eichberg im Rheingau untergebracht war. Auch ihre Urenkelin hatte unabhängig von der Stolpersteinverlegung bereits Forschungen zu ihrer Vorfahrin unternommen und ist froh, dass jetzt ihrem Schicksal auf diese Weise gedacht wird. Der letzte Wohnort von Maria Frida Bremser, die aus der politisch sehr aktiven Familie Ott stammt, war die Mierendorffstraße 4, die zum Zeitpunkt ihres Todes in „Tannenbergstraße “ umbenannt war.
Zu den prominenteren Opfern zählt Otto Wanner, der als SPD-Mitglied politisch verfolgt war, von der Kripo Mainz verhaftet wurde und danach das berüchtigte Konzentrationslager in Dachau überlebte. Nach dem Krieg wurde er als unbescholtener Bürger von der amerikanischen Besatzungsarmee nach 1945 als erster Bürgermeister der Gemeinde eingesetzt. Bei der ersten freien Wahl 1948 war er dann Erster Beigeordneter und ist bis heute der einzige „Ehrenbürger“ der Stadt. An seinem letzten Wohnort, der Ginsheimer Friedrich-Ebert-Straße, wird ebenfalls ein Stolperstein in den Gehweg eingelassen.
Genauere Informationen gibt es auch zu Hans Rauch aus Ginsheim, der vier Jahre im KZ in Dachau bis zu dessen Befreiung verbrachte. Er war Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes und kämpfte ab 1936 im spanischen Bürgerkrieg gegen die Truppen von Diktator Franco, was ihm später die spanische Ehrenbürgerschaft einbrachte. Auch in seinem Geburtsort war er als späterer Awo-Vorsitzender und Vorstandsmitglied bei den Naturfreunden ein wegen seiner sozialen Einstellungen hochgeachteter Mann. Im Alter von fast 90 Jahren ist er in Ginsheim verstorben. In der Mainzer Straße 50, wo er damals wohnte, wird es künftig auch einen Stolperstein geben.
Am 12. Mai 2023 werden die ersten fünf von 14 Stolpersteinen persönlich von Initiator Gunter Demnig verlegt – darunter auch zwei für Erna und Julius Wiesenfeld aus der Rheinstraße, die zu den wenigen jüdischen Mitbürgern gehörten, die noch in Ginsheim-Gustavsburg wohnten und nicht geflohen waren. In einem polnischen Getto wurden sie 1942 für tot erklärt.