Familie Kahn in Bischofsheim
Die Familie Kahn lässt sich mit Salomon Kahn seit etwa Mitte des 18. Jahrhunderts nachweisen. Sein Sohn Koppel wurde vermutlich 1744 bereits in Bischofsheim geboren. Woher die Familie stammte, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Sicher dagegen ist, dass die Familie im Haus Untergasse 14 wohnte, das ihr auch gehörte. Als Koppel Kahn 1823 verstarb, hinterließ er die beiden Söhne Heyum und Salomon, die mit ihren Familien ebenfalls in Bischofsheim lebten. Beide waren Schutzjuden und konnten erst 1821 mit Einführung der Hessischen Verfassung Ortsbürger werden. Sie arbeiteten als Händler oder Kaufleute zunächst ohne Spezialisierung auf bestimmte Warengruppen. Viele Mitglieder eines Zweigs dieser Familie wohnten später in der Frankfurter Straße.
Der 1810 geborene Feist Kahn begründete den Familienstamm, der später recht bekannt werden sollte. Er war Metzger und Viehhändler von Beruf und wohnte in der Frankfurter Straße 33. Sein Sohn Moses erbaute vermutlich um 1860 ein kleines Haus mit der Hausnummer 47 im Kreuzungsbereich Spelzengasse/Darmstädter Straße. Es gehörte zu den ersten Gebäuden, die außerhalb des Ortsdammes errichtet wurden. Moses hatte den väterlichen Betrieb übernommen und führte ihn seit 1879 in einem Ladengeschäft in der Spelzengasse 47 fort.
Aus diesem Zweig stammte auch Heimann Kahn, einer der bekanntesten Juden Bischofsheims. Er übernahm 1881 das Anwesen Spelzengasse 47 von seinem Vater. Philipp Will hat ihn 1898 im „Bischofsheimer Stampes-Lied“ in einem Vers verewigt:
„Hammelsköpp, die gibt’s net mehr,
do esse mer Rindfleisch jetzt,
für 45 Pfennig,
vom Heymann festgesetzt.“
Einer der Söhne Heimann Kahns war der 1888 geborene Berthold. Auch er blieb der Familientradition treu und wurde nach Abschluss der Volksschule Metzger. 1930 übernahm er den Betrieb. Seine Biografie können Sie hier lesen.
Ein weiterer Nachkomme von Feist Kahn war Hugo Kahn, der im Haus Gartenstraße 1 /Ecke Hochheimer Straße 14 wohnte. Er war Kaufmann von Beruf und Mitinhaber der Manufakturwarenhandlung Kahn, Wolf & Karl in der Frankfurter Straße. Als Soldat wurde er im Ersten Weltkrieg schwer verwundet. Ein Bein musste ihm amputiert werden. Später erhielt er das Eiserne Kreuz. Sein Haus wurde durch den stellvertretenden Ortsvorsteher Georg Fischer 1941/1942 als „Judenhaus“ deklariert. In Bischofsheim gab es zwei solche Häuser, in die Juden ziehen mussten, die zuvor ihrer eigenen Wohnungen beraubt worden waren. Das Haus von Hugo Kahn war klein. Es umfasste zwei Zimmer und eine kleine Speisekammer. Dort musste 1942 auch Ernst Grünewald aus der Rheinstraße 12 in Mainz einziehen, bevor er deportiert wurde. Im September des gleichen Jahres wurden von dort Hugo Kahn mit seiner Ehefrau Irma, die Ehepaare Emrich, Weiler und Grünewald deportiert.
(Wolfgang Fritzsche)