Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Bischofsheim

Bischofsheim wurde urkundlich erstmals um das Jahr 1200 als Bissesheim erwähnt. Siedlungsfunde lassen jedoch auf eine deutlich ältere Besiedlung schließen. Zunächst hatten mehrere katholische Herren Besitz und Ansprüche im Ort, die aber im Laufe des 16. Jahrhunderts vollständig an das Haus Hessen übergingen. Nach Übertritt von Philipp dem Großmütigen zum protestantischen Glauben 1527 wurde auch Bischofsheim um 1540 lutherisch.

Rund 100 Jahre später, in der Mitte des 17. Jahrhunderts, ließen sich die ersten Juden im Ort nieder. Bis zum Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert waren es aber kaum mehr als drei Familien. Sie waren Mitglieder der Gemeinde in Rüsselsheim. Ihre Verstorbenen bestatteten sie zunächst auf dem Friedhof in Groß-Gerau. Nach der Neuordnung der Länder zu Beginn des 19. Jahrhunderts zogen weitere Familien zu.

Der Anfang des 19. Jahrhunderts war die Zeit großer Umbrüche. Mit Einführung der ersten hessischen Verfassung 1821 veränderte sich der soziale Status auch der jüdischen Bewohner. Aus Schutzjuden wurden jüdische Einwohner mit vollen Bürgerrechten. 1837 werden nun die Familien Heyum und Marx Kahn, Moses und Isaak Wallenstein sowie die Witwen von Hirsch Selig, Mayer Selig und Isaak Selig sowie die unverheiratete Beile Selig genannt. Insgesamt lebten 50 Menschen jüdischen Glaubens in Bischofsheim, die etwa zu dieser Zeit eine eigenständige Gemeinde gründeten. Die überwiegende Mehrzahl der Gemeindemitglieder bestritt ihren Lebensunterhalt aus Handel, vor allem mit Landesprodukten wie Öl, Wolle und Vieh.

Wesentlich für die weitere Entwicklung des Ortes war die Anbindung an die Eisenbahn. Er erhielt nicht nur einen Personenbahnhof, sondern auch eine Rangierstation, die sich zu einem der bedeutendsten Güterbahnhöfe entwickeln sollte. Damit veränderte sich auch das soziale Gefüge. War der Ort über viele Jahrhunderte landwirtschaftlich geprägt, zogen nun Arbeiter zu. Die Einwohnerzahl stieg von 1.170 im Jahr 1867 über 2.264 in 1895 auf 4.456 im Jahr 1905. Die Anzahl der jüdischen Einwohner blieb aber mehr oder weniger konstant und lag 1873 bei 60, um bis 1933 auf 24 Einwohner abzusinken. 

Unmittelbar nach der Machtübergabe an Hitler wurde der amtierende Bürgermeister Georg Fischer entlassen und der Nationalsozialist Fritz Eitel aus Ginsheim eingesetzt. Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 erhielten die NSDAP in Bischofsheim 1662 Stimmen, die SPD 1071, die Kommunisten 355 und das Zentrum 386. Die Wahlbeteiligung lag bei 93%. Nur vier Tage später, am 9. März wehte die Hakenkreuzfahne über dem Rathaus.

Etwa die Hälfte der jüdischen Einwohner floh in den folgenden Jahren überwiegend in das Ausland. In Zusammenhang mit den Gewaltakten der Pogromnacht wurden außer der Synagoge in der Frankfurter Straße auch Privathäuser überfallen, so beispielsweise das ebenfalls in der Frankfurter Straße gelegene Ladengeschäft von Hartwig Kahn, das von Rudolf Blumberg in der Taunusstraße 18 oder die Schneiderei von Julius Wiesenfeld in Ginsheim.

Die im Dorf verbliebenen 18 Menschen jüdischen Glaubens wurden am 20. März und 21. September 1942 deportiert: Jakob und Regine Gutter, Hartwig Kahn, Markus und Beile Laub, Markus und Channa Mattes, Max und Bettchen Stern, Hugo und Irma Kahn, Joel und Pauline Emrich, Markus und Franziska Weiler, Ernst und Rosa Grünewald mit ihrer dreijährigen Tochter Denni. An sie erinnert ein Gedenkstein am Marienplatz. Ihrer und weiterer Opfern des nationalsozialistischen Regimes soll mit diesen Seiten gedacht werden.

(Wolfgang Fritzsche)