Amalie Selig, née Lehmann

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Amalie Selig, geb. Lehmann, kam am 5. Juli 1883 als Tochter des jüdischen Ehepaars David und Sara Lehmann in Weiterstadt zur Welt. Familie Lehmann war dort schon viele Jahre etabliert. Über Geschwister ist nichts bekannt. Sie besuchte in Weiterstadt acht Jahre lang die Volksschule und nahm anschließend an einem einjährigen Näh- und Handarbeitsunterricht teil. Zunächst übernahm sie verschiedene Tätigkeiten im elterlichen Geschäft.

 

Am 25. Oktober 1906 heiratete sie in Weiterstadt Siegmund Selig II. Von ihm bekam sie die Töchter Alice Johanna und Erna Frieda. Bis zu ihrer Flucht lebte die Familie in ihrem Haus Frankfurter Straße 9 in Bischofsheim.

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges widmete sich Amalie Selig dem Haus und der Erziehung ihrer beiden Töchter. Nachdem ihr Schwager Siegfried im Jahre 1915 und ihr Mann 1917 eingezogen worden waren, leitete sie zusammen mit ihrer Schwägerin das Geschäft und erhielt Prokura. Im Haushalt war auch ein Dienstmädchen beschäftigt. Zusätzlich half Franziska Selig, die unverheiratete Schwester ihres Ehemanns, im Haushalt mit. Als die Männer aus dem Krieg zurückkamen, war Amalie Selig, bis zu dessen Aufgabe, weiter im Geschäft tätig. Sie erhielt für ihre Arbeit kein eigenes Gehalt.

Amalie Selig erkrankte in den 1930er Jahren an einer Angstneurose, für die es nach ihren eigenen Angaben mehrere Gründe gab. Einmal waren es finanzielle Existenzsorgen: Nach der Aufgabe ihres Geschäfts mussten sie vom Ersparten leben und wussten nicht, wie lange das Geld reichen würde. Daneben bestanden die ständige Angst verhaftet zu werden sowie die bedrohlichen Erlebnisse in der Pogromnacht. All dies zerrüttete ihre Nerven so stark, dass sie zeitlebens ärztliche Behandlung benötigte. Das Ehepaar Selig flüchtete am 23. Juni 1939 von Hamburg aus mit dem Schiff SS „Pretoria“ nach Kapstadt, wo ihre beiden Töchter sie schon erwarteten.

Das Ringen um ihre eigenen Entschädigungsansprüche und die ihres mittlerweile verstorbenen Mannes dauerte Jahre. Ab dem 1. Januar 1956 erhielt Amalie Selig vom Land Hessen eine monatliche Rente in Höhe von 281,00 DM sowie einen einmaligen Entschädigungsbetrag von 5.148,00 DM. Mit diesem Geld waren alle Ansprüche für Schäden im beruflichen Fortkommen aus dem Geschäft des Verstorbenen Siegmund Selig sowie die Wiedergutmachungsansprüche seiner Ehefrau und Kinder abgegolten. Erst 1959 wurde zwischen ihr und dem Land Hessen ein endgültiger Vergleich geschlossen und 1961 die monatliche Rente auf 400,-DM erhöht.

Amalie Selig verbrachte ihre letzten Lebensjahre im Vredehoek Jewish Old Aged Home, Kapstadt/Südafrika. Sie verstarb am 21. Januar 1969 im Alter von 85 Jahren. Begraben ist sie auf dem Jüdischen Friedhof Pineland 1 in Kapstadt/Südafrika.

(Astrid Rühl)